Humboldt-Universität zu Berlin - Praktische Philosophie/Ethik

Sommersemester 2011

 

VL Der kategorische Imperativ/The Categorical Imperative (c, d, LA/S1)

Thomas Schmidt

Veranst.-Nr.: 51009

UL 6, 3038/35; ab Do., 14.04.11, wöchtl. 14-16 Uhr

 

Der kategorische Imperativ, untrennbar mit dem Namen Immanuel Kants verbunden, gilt vielen immer noch als der Inbegriff eines grundlegenden Moralprinzips. Zurecht, denn seit seiner ersten Formulierung durch Kant hat der kategorische Imperativ nichts von seiner moralphilosophischen Aktualität eingebüßt. Nach verbreiteter (wiewohl nicht unumstrittener) Auffassung ist es Kant gelungen, einen moralischen Kerngedanken zu erfassen, der sowohl die Frage nach dem Wesen von Moral überhaupt betrifft als auch von erheblicher Tragweite für Fragen der normativen Ethik ist. Kants Grundgedanke wird gegenwärtig in einer Reihe bedeutender philosophischer Entwürfe aufgegriffen und, in mehr oder weniger stark modifizierter Form, weiterentwickelt (Kants Ethik wirkt u. a. fort in den Theorien von S. Darwall, J. Habermas, C. Korsgaard, J. Rawls, T. Scanlon und weiteren). Auch im Hinblick auf kontrovers diskutierte Probleme der angewandten Ethik wird immer wieder auf wichtige Begriffe in derjenigen Prägung rekurriert, die Kant ihnen gegeben hat (besonders prominent etwa im Fall des Begriffs der Würde).

Die Vorlesung bietet eine Einführung in die Kantische Ethik und damit in eine der wichtigsten Moraltheorien der philosophischen Tradition. In systematischer Hinsicht ist die Vorlesung auf die Diskussion der Frage hin angelegt, inwieweit die in Kants kategorischem Imperativ erfasste Idee, ggf. nach geeigneter Modifikation und Weiterentwicklung, nach wie vor als systematisch tragfähig und fruchtbar einzuschätzen ist. Es werden daher auch einschlägige Theorien der gegenwärtigen Ethik, die explizit oder implizit auf Kants Moralphilosophie zurückgreifen, zur Sprache kommen.

 

PS Kommerzialisierung des menschlichen Körpers/Commodification of the Human Body (c, d, LA/S1)

 

Jan Gertken

Veranst.-Nr.: 51023

DOR 24, 1.406; ab Di., 12.04.11, wöchtl. 16-18 Uhr

 

Unter dem Begriff Kommerzialisierung des menschlichen Körpers werden im Allgemeinen Praktiken verstanden, bei denen der menschliche Körper – oder Teile davon – als verkäufliche Ware behandelt wird (als Beispiele können u. a. Prostitution, Organhandel und die Ausstellung von plastinierten Leichnamen genannt werden). Nach Ansicht vieler sind derartige Praktiken in höchstem Maße ethisch bedenklich und sollten durch gesetzliche Vorgaben verboten oder zumindest stark eingeschränkt werden. Oftmals wird dies mit dem durch Kants Ethik inspirierten Gedanken in Verbindung gebracht, dass ein derartiger Umgang mit dem Körper nicht mit dem Respekt vor Personen und ihrer Würde vereinbart werden kann.

Andere hingegen verweisen, ebenfalls nicht selten unter Berufung auf Kant, auf die Autonomie des Individuums, als deren Ausdruck auch die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper, einschließlich der Möglichkeit, diesen als Ware zu behandeln, gesehen werden sollte. Darüber hinaus werden auch die Befürworter eines strengen Kommerzialisierungsverbots wohl bestimmte Handlungsweisen hiervon ausnehmen wollen. Wer beispielsweise seine Arbeitskraft verkauft, zieht in zumindest grundsätzlich vergleichbarer Weise ebenfalls Profit aus dem Einsatz seines Körpers, und auch der Verkauf der eigenen Haare an einen Perückenmacher dürfte nur auf wenige in ähnlicher Weise empörend wirken wie etwa der Verkauf der eigenen Niere. Wo also liegt hier die moralisch relevante Grenze (wenn es eine gibt)?

 

Auf der Grundlage der Lektüre klassischer und aktueller Texte werden wir im Seminar die wichtigsten Positionen und Argumente der Debatte um die moralische Beurteilung der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers diskutieren.

 

PS Töten, retten und sterben lassen/Killing, Saving and Letting Die (c, d, LA/S1)

Jan Gertken

Veranst.-Nr.: 51022

DOR 24, 1.308; ab Mi., 13.04.11, wöchtl. 12-14 Uhr

 

Zu den schwierigsten und zugleich wichtigsten Fragen der Ethik gehört die Frage danach, unter welchen Bedingungen man anderen Personen gegen deren Willen legitimerweise Schaden zufügen darf, insbesondere wenn es hierbei um Handlungen geht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod der betroffenen Person führen werden. Neben dem Problemkomplex der Notwehr spielt hier vor allem eine Rolle, wann und in welchem Ausmaß man unschuldigen Personen Schaden zufügen darf, wenn dies notwendiger

Bestandteil von Hilfsmaßnahmen gegenüber anderen ist. Darf bsp. der Pilot eines abstürzenden Flugzeugs dieses in ein weniger eng besiedeltes Wohngebiet umlenken, um möglichst wenige Personen zu Schaden kommen zu

lassen? Die meisten bejahen dies. Ist es aber dann in gleicher Weise erlaubt, eine gesunde Person zu töten, um mit deren Organen fünf anderen schwerkranken Personen das Leben zu retten? Dies würden die meisten verneinen. Welche moralisch relevanten Unterschiede ließen sich zu einer Rechtfertigung der hier vorgenommenen Unterscheidungen anführen?

 

Im Lauf der philosophischen Diskussion sind eine Vielzahl unterschiedlicher Vorschläge entwickelt worden, die versprechen, Antworten

auf Fragen wie diese bereit zu stellen, und die Gegenstand der Seminardiskussion sein werden.

 

PS Metaethik/Metaethics (c, d, LA/S1)

Benjamin Kiesewetter

Veranst.-Nr.: 51030

UL 6, 2014A; ab Do., 14.04.11, wöchtl. 12-14 Uhr

 

Normative Ethik beschäftigt sich mit normativen Fragen wie „Darf man Menschen unter bestimmten Umständen foltern?“ Metaethik hingegen beschäftigt sich mit Fragen über solche Fragen: Was heißt es überhaupt, dass man etwas tun soll oder etwas nicht tun darf? Gibt es wahre und falsche normative Aussagen oder drücken diese nur die subjektive Befindlichkeit des Sprechers aus? Wenn solche Aussagen wahrheitsfähig sind, gibt es dann normative Tatsachen? Implizieren moralische Urteile Aussagen über normative Handlungsgründe? Sind Moralforderungen entsprechend Forderungen der (idealen) Rationalität? Wenn wir normative Urteile fällen, sind wir dann immer auch motiviert, entsprechend zu handeln?

Diese und andere Fragen sollen im Seminar anhand ausgewählter Texte erörtert werden. Nach ggw. Planungsstand wird dabei die Lektüre von Michael Smiths „The Moral Problem“ (Malden: Blackwell, 1994) im Mittelpunkt stehen. Smith ist derzeit Gast am Lehrstuhl für Ethik am Institut für Philosophie der HU und hat sich bereit erklärt, für eine Diskussion mit Studierenden im Seminar zur Verfügung zu stehen. Da „The Moral Problem“ nicht auf Deutsch erhältlich ist, müssen Englischkenntnisse und die Bereitschaft, sich auf fremdsprachliche philosophische Texte einzulassen, als Voraussetzung für die Seminarteilnahme gelten. Eine seminarvorbereitende Lektüre des Buches ist empfehlenswert, aber keine Voraussetzung für die Teilnahme.

 

HS Konstruktivismus in der Ethik/Constructivism in Ethics (c, LA/S1)

Thomas Schmidt/Andreas Müller

Veranst.-Nr.: 51081

DOR 24, 1.406; ab Fr., 15.04.11, wöchtl. 14-16 Uhr

 

Können moralische Urteile wahr oder falsch sein? Und wenn ja, wovon hängt es ab, ob wir mit unseren moralischen Urteilen richtig liegen oder nicht? Die Debatte über diese Fragen wird gegenwärtig von der Frontstellung zwischen zwei theoretischen Grundpositionen dominiert: Moralische Realisten behaupten, dass moralische Urteile dann und nur dann wahr sind, wenn sie moralischen Tatsachen entsprechen, d. h. wenn es sich in moralischer Hinsicht tatsächlich so verhält, wie es das Urteil behauptet. Expressivisten dagegen bestreiten die Existenz moralischer Tatsachen und meinen, dass es sich bei moralischen Urteilen um den Ausdruck von Einstellungen wie Wünschen oder bestimmten Gefühlen handelt, die ihrem Wesen nach gar nicht darauf abstellen, die Welt zu repräsentieren (man spricht auch von ‚nonkognitiven Einstellungen’). In Abgrenzung sowohl zum moralischen Realismus als auch zum Expressivismus, und häufig inspiriert durch die Moralphilosophie I. Kants, versuchen einige Philosophinnen und Philosophen, ein alternatives, oftmals „konstruktivistisch“ genanntes Verständnis moralischer Urteile zu entwickeln (einschlägig sind u. a. C. Korsgaard, J. Rawls, und neuerdings S. Street). Diesem Vorschlag zufolge können moralische Urteile durchaus wahr sein, allerdings nicht aufgrund ihrer Übereinstimmung mit unabhängigen moralischen Tatsachen in der Welt, sondern weil Personen unter bestimmten idealen Bedingungen (wie etwa solchen der Unparteilichkeit und der vollständigen Rationalität) zu eben diesen Urteilen gelangen würden.

Im Seminar werden wir verschiedene Versionen des so verstandenen Konstruktivismus insbesondere im Hinblick auf die Frage diskutieren, inwieweit sie grundlegenden Einwänden Rechnung zu tragen vermögen – um auf diese Weise zu einem besseren Verständnis der konstruktivistischen Grundidee selbst zu gelangen und um uns in die Lage zu versetzen, die systematische Tragfähigkeit des Konstruktivismus in der Ethik begründet einschätzen zu können.

 

HS Lügen/Lying (c, LA/S1)

Thomas Schmidt

Veranst.-Nr.: 51082

DOR 24, 1.406; ab Fr., 15.04.11, wöchtl. 10-12 Uhr

 

Das Lügenverbot ist ein zentrales Element der Alltagsmoral – auch wenn kaum jemand so rigoristisch wie Kant sein würde, der Lügen bekanntlich unter allen Umständen für moralisch verboten erklärte. Was genau ist aber am Lügen eigentlich moralisch problematisch? Und welche Hinweise lassen sich hieraus für die Frage gewinnen, welche Ausnahmen vom Lügenverbot gerechtfertigt sind? Im Seminar werden wir unterschiedliche Vorschläge, diese Fragen zu beantworten, diskutieren. Nicht zuletzt werden wir uns zu diesem Zweck auch fragen müssen, was, in begrifflicher Hinsicht, eine Lüge ausmacht und was das Lügen von anderen, verwandten Phänomenen (etwa dem der Täuschung) unterscheidet. Ausgangspunkt der Seminardiskussion werden Texte der moralphilosophischen Tradition sowie der gegenwärtigen Ethik sein.

 

 

CO Philosophisches Kolloquium/Philosophical Colloquium

Thomas Schmidt

Veranst.-Nr.: 51095

UL 6, 3103; ab Do., 14.04.11, wöchtl. 16.15-18.30 Uhr

 

Dieses Kolloquium richtet sich vor allem an Studierende unmittelbar vor dem Examen und an Promovierende. Es bietet ein Forum zur Diskussion im Entstehen begriffener eigener philosophischer Arbeiten.

Die Teilnahme ist nur nach Rücksprache vor Semesterbeginn oder auf persönliche Einladung hin möglich.