Humboldt-Universität zu Berlin - Praktische Philosophie/Ethik

Forschung und Projekte von Norbert Anwander

 
Versprechen

Versprechen sind uns aus dem Alltag vertraut. Für Philosophen werfen sie aber eine Reihe von Rätseln auf, allen voran, wie es möglich sein soll, durch das bloße Äußern geeigneter Worte willentlich Verpflichtungen zu schaffen. Das Forschungsprojekt nimmt seinen Ausgang von einem Unbehagen an den traditionellen Lösungen. Diese nehmen entweder denjenigen, dem gegenüber das Versprechen eingegangen worden ist, den Promissar, nicht ernst – das gilt für Praxistheorien, wie sie etwa von Hume und Rawls entwickelt worden sind. Oder sie nehmen die Verpflichtung nicht ernst – das gilt für perlokutionäre Theorien, welche die moralische Bedeutung von Versprechen auf deren empirische Konsequenzen reduzieren.
Ziel des Projektes ist es, eine Theorie zu formulieren, die sowohl die Normativität des Versprechensakts selbst anerkennt als auch erfasst, dass ein Versprechensbruch in erster Linie ein Unrecht gegenüber dem Promissar darstellt. Wichtige Elemente dieser „Achtungstheorie“ sind eine Analyse von Versprechen, die dem Promissar eine zentrale Rolle zuweist, sowie eine sorgfältige Unterscheidung zwischen der mit dem Versprechen eingegangenen promissorischen Verpflichtung einerseits und der moralischen Pflicht, Versprechen zu halten, andererseits. Für erstere ist eine voluntaristische Konzeption unproblematisch; letztere ergibt sich aus der Forderung, die Autonomie des Promissars zu achten.

Publikationen:

  • Versprechen und Verpflichten, Paderborn (mentis) in Vorbereitung.

Vorträge:

  • „Taking Promise(e)s Seriously“, GAP.6, Berlin (September 2006)

 

Profitieren aus Unrecht

Dass wir kein Unrecht begehen und nach Möglichkeit nicht zu solchem beitragen sollen, ist klar. Aber wie verhält es sich, wenn jemand von Unrecht lediglich profitiert? Einige würden zwar nicht selbst an Unrecht beteiligt sein wollen, haben aber keine Skrupel, Vorteile zu suchen, die sich dadurch bieten, dass andere Unrecht begehen. Ist ihr Verhalten verwerflich? Für viele gilt, dass sie, gleichgültig, ob sie das wollen oder nicht, durch fremdes Unrecht besser gestellt werden. Stehen sie dann als Nutznießer von Unrecht besonders in der Verantwortung? Während die Literatur zu jenen, die als Täter ins Unrecht verstrickt sind, Bände füllt, hat die Frage, wie es moralisch um die Profiteure von Unrecht steht, kaum Beachtung gefunden. Das Forschungsprojekt geht dieser Frage nach.
Dieses Projekt wird in Kooperation mit Barbara Bleisch (Ethik-Zentrum der Universität Zürich) durchgeführt.

Publikationen:

  • „Beitragen und Profitieren. Ungerechte Weltordnung und individuelle Verstrickung“. In: Weltarmut und Ethik, hg. von B. Bleisch und P. Schaber, Paderborn (mentis) im Erscheinen [zus. mit Barbara Bleisch].
  • „Contributing and Benefiting: Two Grounds for Duties to the Victims of Injustice”. In: Ethics and International Affairs 19 (1) 2005, S. 39-45.

Vorträge:

  • „Profitieren von fremdem Unrecht“, Mittelbaukolloquium des Philosophischen Seminars der Georg-August-Universität Göttingen (Juli 2007)

 

Wen geht das etwas an? Rechenschaft, Intervention und moralische Gemeinschaft

Die Vorstellung, dass es keine reine Privatsache ist, was wir tun und wie wir leben, sondern unsere diesbezüglichen Entscheidungen – jedenfalls innerhalb bestimmter Grenzen – auch andere etwas angehen, ist ein vertrauter und weitgehend unhinterfragter Bestandteil unserer sozialen Praxis. Wir tadeln, was andere tun; wir ziehen sie für ihr Verhalten zur Verantwortung; wir intervenieren, wenn das Fehlverhalten ein bestimmtes Maß übersteigt. Umgekehrt werden wir selbst mit Kritik und der Forderung nach Rechenschaft konfrontiert. Im persönlichen Bereich ebenso wie in der Politik sind derartige Reaktionen aber auch regelmäßig Anlass von Kontroversen in den Spannungsfeldern von Autonomie und Autorität, von Privatheit und Gemeinschaft, von Souveränität und Einmischung.
Das Forschungsprojekt „Wen geht das etwas an? Rechenschaft, Intervention und moralische Gemeinschaft“ nimmt inhaltliche Kontroversen darüber, was andere etwas angeht, zum Anlass, die Vorstellung selbst, dass wir anderen für unser Tun Rechenschaft schulden, im Hinblick auf ihren Gehalt sowie ihre begrifflichen und normativen Grundlagen zu thematisieren. Darauf aufbauend soll durch eine Untersuchung der Zusammenhänge von moralischer Verpflichtung, moralischer Gemeinschaft und Rechenschaft gezeigt werden, wie die Idee der Rechenschaft im Zentrum von Moral überhaupt steht.
Das Forschungsprojekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert.

Publikationen:

  • „Die halbe Wahrheit der Sanktionstheorie (und ein Ausblick auf die andere Hälfte)“. In: Moral und Sanktion, hg. von Eva Buddeberg und Achim Vesper, Frankfurt./M. (Campus) (in Vorbereitung).

Vorträge:

  • „The Idea of a Moral Community“, Konferenz The Point of Morality, Humboldt-Universität zu Berlin, Juli 2010
  • „Authority and Accountability in Democracy“, Simposio internacional de economia y filosofia. La crisis de la democracia. Estado de derecho versus estado de opinión, Universidad de Antioquia, Medellín, Februar 2010
  • „The Duality of Moral Norms: Reasons for Actions and Reasons for Sanctions“, Konferenz Normative Orders: Justification and Sanctions, Universität Frankfurt, Oktober 2009
  • „Accountability and Authority: Need Judges Be Lawmakers Too? “, Workshop on Stephen Darwall: The Second-Person Standpoint, Universität Bern, September 2008
  • „Was geht's dich an? Die Frage moralischer Interventionen“, ASAE Summerschool, Ethik-Zentrum der Universität Zürich, September 2007